Roboter und autonome Supertraktoren sind eine wichtige Lösung.
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Vollgepackt mit Kameras und Sensoren bahnt sich die Metallkrabbe langsam ihren Weg durch das Maisfeld. Indem er seine Umgebung abtastet, umgeht der kleine elektronische Erntehelfer geschickt Erdhaufen und Pflanzenstängel. Säen, düngen, pflanzen, Herbizide ausbringen oder Früchte pflücken: Dutzende dieser intelligenten Erntemaschinen könnten eines Tages ein ganzes Feld selbstständig bearbeiten. Nur das leise Surren ihrer Servomotoren würde ihre fast lautlose Arbeit verraten.
„Die Landwirtschaft bietet noch großes Potenzial für die Automatisierung“, sagt Peter Dahmen, Mitarbeiter der Forschungsabteilung von Crop Science. Und einige Erfinder und Ingenieure wie David Dorhout aus Des Moines, Iowa, bieten innovative und zukunftsweisende Lösungen an: „Warum nimmt man nicht die großen Maschinen von heute und zerlegt sie in Tausende von kleineren Maschinen? So erfand er den sechsbeinigen Agrirobot „Prospero“. Die autonome Mikro-Sämaschine ist nur wenig größer als ein Basketball und vollbringt doch wundersame Dinge. Seine kleinen Aluminiumbeine tragen ihn mühelos über jede Parzellenfläche. Findet er eine leere Stelle, bohrt er ein Loch in den Boden und setzt einen Samen ein. Anschließend markiert Prospero die Stelle mit einem Spray und zieht wieder ab.
Die Nahrungsmittelproduktion wird bis 2050 um 70 Prozent steigen müssen, um den weltweiten Bedarf zu decken.
In Dorhouts Vision bewirtschaftet ein ganzer Schwarm seiner kleinen Agrarraben das Feld und kommuniziert sogar untereinander. „Ähnlich wie bei Ameisen“, sagt er. Doch statt Pheromone nutzen Dorhouts Maschinen Infrarotsignale, um ihre Kollegen in einen unbearbeiteten Bereich des Feldes zu dirigieren.
„Dieser Ansatz befreit den Landwirt komplett von der Landmaschine und gibt ihm mehr Zeit für die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aspekte seines Agrobusiness“, erklärt der Erfinder. Der Landwirt gewinnt mehr Zeit für die Saatgutauswahl, die Bodenanalyse oder die Finanzplanung. „Ich bin wirklich gespannt, was sich die Landwirte von morgen einfallen lassen, wenn sie ein Werkzeug bekommen, das ihre Felder Zentimeter für Zentimeter oder Pflanze für Pflanze bearbeitet“, sagt Dorhout.
Effizienzsteigerung
Professor Simon Blackmore stimmt dem zu: „Präzision ist der Schlüssel zu einer effizienten Landwirtschaft.“ Er ist der Direktor des neu gegründeten National Centre for Precision Farming (NCPF) in Großbritannien. Und die Steigerung der Effizienz ist äußerst notwendig geworden: Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) wird die weltweite Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen müssen, um die weltweite Nachfrage zu decken. Um dem gerecht zu werden, arbeiten die Hersteller schon heute an einer Vielzahl von Hochleistungsmaschinen.
Einen wichtigen Beitrag leisten auch Professor Heinz Ulbrich und sein Team am Institut für Angewandte Mechanik der Technischen Universität München (TUM): Ihre Maschine könnte schon bald der nächste Standard in der Agrarrobotik werden. Gefördert von der Europäischen Kommission entwickeln sie einen modifizierbaren Roboterarm. Je nach Bedarf können verschiedene Module wie Sensoren, Sprühvorrichtungen oder Manipulatoren einfach ausgetauscht werden. Ihr Partnerinstitut in Wageningen arbeitet zudem an einem ausgeklügelten Sensorsystem: Spezialkameras, die ein dreidimensionales Bild der Umgebung des Roboters erzeugen und ihm helfen, Früchte von Blättern zu unterscheiden. Neben dem erprobten Manipulator sind noch weitere Spezialmodule geplant: ein Sensor zur Bestimmung des Reifegrads von Trauben mit Fluoreszenzlicht zum Beispiel. Dann könnten Roboter sogar in Weinbergen und Obstplantagen zupfen und putzen.
Neue Technologien und traditionelle Maschinen
„Roboter werden erhebliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben“, sagt David Dorhout. Grundlegende Konzepte wie Reihenkulturen könnten überflüssig werden, und kein einziger Quadratzentimeter wird unbeobachtet bleiben. Blackmore wagt eine Prognose: „In 20 Jahren wird die Robotik die Landwirtschaft revolutioniert haben.“ Er ist sich auch sicher, dass die neuen Technologien neben den traditionellen Maschinen zum Einsatz kommen werden. „Und spätere Robotergenerationen werden intelligent genug sein, um sich an die Natur, das Wetter und andere Umweltbedingungen anzupassen“, so Blackmore weiter. Der Technologieexperte von Crop Science, Peter Dahmen, stimmt dem zu: „Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussieht. Aber es ist durchaus denkbar, dass Roboter uns helfen werden, die Produktivität der Landwirtschaft auf nachhaltigere und umweltverträglichere Weise zu steigern.“
Bauernhof der Zukunft
Professor Blackmore, warum brauchen wir Roboter in der Landwirtschaft?
In der Vergangenheit und bis heute ist die Landwirtschaft sehr energieintensiv gewesen. Auf der anderen Seite war Energie sehr billig und wir haben viel davon genutzt, um die Landwirtschaft zu entwickeln. Aber Energie wird in Zukunft immer teurer werden. Und so wie die Umwelt, die Gesetzgebung und die Gesellschaft Druck auf uns ausüben, müssen wir alles tun, um die Prozesse der Lebensmittelproduktion so effizient wie möglich zu gestalten. Was wir jetzt erleben, ist das Aufkommen intelligenterer Maschinen, die nur ein Minimum an Energie verbrauchen, was Kosten spart und es uns ermöglicht, uns mehr auf Aspekte wie die Lebensmittelqualität zu konzentrieren. Wir brauchen keine Robotik in der Landwirtschaft, aber wir müssen die Landwirtschaft effizienter machen. Und eine Möglichkeit, dies zu erreichen, sind intelligentere Maschinen. Maschinen, die die Schwankungen verstehen, die wir jeden Tag auf dem Feld erleben, und die in der Lage sind, sich so anzupassen, dass wir den gewünschten Ertrag erzielen.
Was wird mit den Arbeitskräften in der Landwirtschaft geschehen?
Mobile Roboter werden die angelernten Arbeiter ersetzen. Aber das ist eine ganz andere Situation als ein völlig autonomer Betrieb, in dem kein Mensch mehr arbeitet. Es wird nie einen vollständig automatisierten Betrieb geben. Wir werden weiterhin Landwirte, Betriebsleiter und Agronomen brauchen. Kurz gesagt, wir werden immer noch Menschen brauchen, die Entscheidungen treffen. Andererseits sind einige landwirtschaftliche Aufgaben besser für Maschinen geeignet. Wir werden also eine höhere Qualität der Arbeitskräfte benötigen, um mit Hightech-Maschinen umgehen zu können. Das ist eines der Dinge, die derzeit in Japan passieren. Die japanische Regierung investiert viel Geld in die Agrarrobotik, um das Qualifikationsniveau der Arbeiter zu erhöhen. Das wiederum erhöht die Löhne der Arbeiter und die Lebensqualität in den ländlichen Gebieten.
Welche Vorteile haben Agrarroboter?
Abgesehen von der höheren Produktivität und den niedrigeren Kosten werden uns Roboter die Möglichkeit geben, das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen besser als je zuvor zu verstehen. Bislang waren diese Versuche aufgrund der Kosten für die Probenahme begrenzt. Ein Roboter hingegen kann jeden Tag Hunderte von Probenahmestellen aufsuchen und automatisch wichtige Daten sammeln und speichern: Wachstumsraten der Pflanzen, Nährstoffstatus, Wetter, Blattflächenindex. Und wenn wir die Möglichkeit haben, diese Messungen täglich vorzunehmen, wird unser Verständnis der Pflanzenentwicklung in eine neue Phase eintreten.
Wann werden wir Roboter auf unseren Feldern sehen?
Agrarroboter werden kommen – das ist unvermeidlich. Wenn der Markt sie will und die Hersteller bereit sind, diesen Sprung nach vorn zu wagen, werden wir schon sehr bald Agrarroboter auf den Feldern herumlaufen sehen. Wenn die Menschen nicht in diese Technologie investieren, wird sie noch viele Jahre auf sich warten lassen. Ich weiß von fünf autonomen Traktoren, die derzeit in China entwickelt werden. Ich glaube nicht, dass es in ganz Europa so viele gibt. Wenn die Europäer ihren technologischen Status und ihre Produktionsbasis für intelligente Maschinen beibehalten wollen, müssen sie sich bewegen.
Quelle: https://www.bayer.com/en/agriculture/article/ripe-robots